Technologievergleich und Ökobilanz von Abwasserreinigungsanlagen in alpinen Extremlagen | ![]() |
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Der Energieverbrauch einer Kläranlage ist für viele Anwendungen im Hochgebirge ein wesentliches Kriterium. Die meisten Schutzhütten werden autark mit Energie versorgt. Die Energie wird häufig mit Hilfsstoffen wie Diesel, Pflanzenöl oder Gas erzeugt, die möglichst sparsam eingesetzt werden sollen. Andere Möglichkeiten der Energiegewinnung bieten regenerierbare Energiequellen wie Wasserkraft oder Solarenergie, die wiederum investitionsintensiv und damit auch begrenzt sind. Die Energieversorgung der Kläranlage hat sich dem gesamten Energiekonzept der Schutzhütte unterzuordnen. Dennoch sollte der Kläranlagenbetrieb und dessen Versorgung so konzipiert sein, dass keine Beeinträchtigungen und Störungen durch die Hüttenbewirtschaftung eintreten können. Nachfolgend werden die sehr unterschiedlichen Energiesituationen auf den vier Objekten, die bereits in den vorangegangenen Kapiteln betrachtet wurden, einander gegenübergestellt.
Tropfkörperanlage Geraer Hütte (145 EGW)
ESB-Anlage [15] Stuttgarter Hütte (150 EGW)
Biocos-Anlage [13] Nördlinger Hütte (112 EGW)
Tropfkörperanlage Adolf Pichler Hütte (125 EGW)
Schlussfolgerungen
Die Geraer Hütte verfügt über ein eigenes Wasserkraftwerk an einem relativ mächtigen Vorfluter. Damit kann im Normalfall, außer an Tagen mit starkem Frost, ausreichend Energie erzeugt werden. Meist wird sogar Überschussenergie produziert, die dann zur Erwärmung des Abwassers in die Kläranlage abgeführt wird. Dennoch wurde hier ein sehr energiesparendes Kläranlagenkonzept verwirklicht. Das Gelände weist, wie man es im Gebirge erwartet, ein ausreichendes Gefälle auf, sodass alle Anlagenteile im freien Durchfluss durchströmt wird. Die chargenweise Verteilung des Zuflusses auf die Tropfkörper erfolgt mittels einer exzentrischen Schwerkraftwippe, die bei Vollfüllung jeweils auf eine Seite kippt und sich entleert.
Bei einem Ausfall der Energieversorgung würde das Abwasser mechanisch gereinigt und biologisch teilgereinigt in den Vorfluter fließen. Um einen höheren Reinigungsgrad der biologischen Stufe zu erreichen, wird das teilgereinigte Abwasser rezirkuliert, wofür Pumpenergie eingesetzt wird. Die Kläranlage verfügt über eine schwimmergesteuerte Pumpe mit einer Leistung von 150 Watt und 220 Volt Spannung, die intermittierend betrieben wird. Bei einer durchschnittlichen täglichen Betriebsdauer von 8 Stunden ergibt sich ein Verbrauch an elektrischer Energie von ca. 1,2 kWh pro Tag .
Die Stuttgarter Hütte verfügt über einen Netzanschluss über eine große Leitungslänge mit ausreichendem Anschlusswert. Für den Betrieb der Einbecken- Belebtschlammanlage sind keine mechanisch bewegte Teile im Einsatz. Sowohl die Belüfter, als auch die Heberanlagen werden mit Druckluft versorgt, die durch eine schwingende Membran in den beiden Linearkompressoren erzeugt wird. Der Luftstrom wird über Magnetventile auf die einzelnen Luftschläuche und weiter auf die Verbraucher verteilt. Diese Ventile über eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) angesteuert. Alle drei energiekonsumierenden Komponenten - Kompressor, Ventile und Steuerung - sind in einem Steuerschrank in einem Kellerraum der Schutzhütte untergebracht. Bei durchgehendem Betrieb der Kläranlage ergibt sich folgender Energieverbrauch:
Komressor (225 W, 220 V): 2 * 225 W * 14,5 h = 6,5 kWh Ventile: 10 W * 14,5 h = 0,1 kWh Steuerung: 10 W * 24 h = 0,2 kWh Gesamtenergieverbrauch:
= 6,9 kWh pro Tag
Das nächste Beispiel einer Belebtschlammanlage, die Biocos-Anlage auf der Nördlinger Hütte, wird ausschließlich mit Fotovoltaikstrom versorgt. Die Hütte verfügte bereits vor der Errichtung der Kläranlage über eine Fotovoltaik Anlage, die den Energieverbrauch der Hütte zu mehr als 90 % deckte. Hier galt das eingangs gesagte und das Solarenergiekonzept der Schutzhütte wurde beibehalten. Die bestehende Fotovoltaik Anlage wurde nicht erweitert, sondern eine davon entkoppelte, selbstständige Anlage wurde errichtet, um von der Hüttenbewirtschaftung unabhängig zu sein. Die Fotovoltaikanlage hat eine Spitzenleistung von 1100 Watt und ermöglicht bei 8 Stunden intensiver Sonneneinstrahlung - Hochsommer und keine Abschattung durch Zirren, Wolken, Nebel etc. vorausgesetzt - eine elektrische Arbeit von 8,8 kWh. Die Biocos-Kläranlage benötigt wie die Anlage im vorangegangenen Beispiel die Energie für den Betrieb von Luftverdichter, Magnetventilen und Steuerung. Der Energiebedarf der Biocos-Anlage unterscheidet von dem der ESB-Anlage dahingehend, dass der Anschlusswert der Kläranlage geringer ist (ein Kompressor statt zwei), dafür wird der Kompressor im Dauerlauf gefahren. Durch das Doppelbeckensystem kann ständig Luft in das SU-Becken eingebracht werden, wenn nicht gerade die luftbetriebenen Heber bedient werden. Der kontinuierliche aber geringere Energieverbrauch entspricht der kontinuierlichen Energiegewinnung untertags und erspart einige Ladevorgänge der Batterien.
Kompressor (225 W, 220 V): 1 * 225 W * 24 h = 5,4 kWh Ventile: 10 W * 24 h = 0,2 kWh Steuerung: 10 W * 24 h = 0,2 kWh Gesamtenergieverbrauch:
= 5,9 kWh pro Tag
Der Energie von 5,9 kWh wird bei einem durchlaufenden Betrieb der Kläranlage benötigt und kann unter Berücksichtigung der Verluste durch Wechselrichter und Batterieladung durch die Fotovoltaikanlage bei Schönwetter bereitgestellt werden. Die Laderegelung ist so konzipiert, dass eine neuer Zyklus des Kläranlagenbetriebes nur dann startet, wenn die Batterie eine Mindestladung aufweist. Andernfalls wird zur Energieerhaltung auch die Steuerung und das Display der Kläranlage abgeschaltet, bis die Mindestladung wieder erreicht wird. Das bedeutet, dass die Kläranlage bei Schlechtwetter nicht durchgehend läuft, sondern nur einige Zyklen pro Tag betrieben wird. Allerdings ist bei Schlechtwetter auch die Belastung der Kläranlage gering, da die Besucherfrequenz stark abfällt. Es wird also die witterungsabhängige Energieerzeugung dazu genützt, den Kläranlagenbetrieb belastungsabhängig zu steuern.
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Abb. 1: Minimierte 1,1 kWpeak Photovoltaikanlage als alleinige Energieversor- gungseinrichtung der Belebtschlamm-Kläranlage der Nördlinger Hütte (112 EW60), Energieverbrauch und Batteriespannung bei unterschiedlichen Wetter- bzw. Batterie- ladebedingungen
Die Tropfkörperanlage auf der Adolf Pichler Hütte wird ebenfalls mit Fotovoltaik- energie versorgt. Die Energie für die Bewirtschaftung der Hütte wird durch ein Dieselaggregat erzeugt, das nur einige Stunden am Tag betrieben wird. Für die Kläranlage als Dauerläufer wurde eine davon unabhängige Fotovoltaikanlage errichtet. Durch die Umstellung der Rezirkulationspumpe der Tropfkörperanlage auf 24 Volt-Technik konnte der Energieverbrauch der Kläranlage und die erforderliche Leistung der Fotovoltaik Anlage minimiert werden.
Rezirkulationspumpe: 27 W * 24 h = 0,65 kWh Überschussschlammpumpe: 210 W * 0,23 h = 0,05 kWh Steuerung: 7,5 W * 24 h = 0,2 kWh Gesamtenergieverbrauch:
= 0,90 kWh pro Tag
Dieser geringe Energiebedarf kann durch die entsprechende Ladekapazität der Batterien auch über mehrtägige Schlechtwetterperioden gedeckt werden.
Der Sauerstoffeintrag von nicht eingestauten Biofilmanlagen (z.B. Tropfkörper- anlagen) erfolgt über die großen freien Oberflächen ohne technischen Energieaufwand. Energie wird für die Rezirkulation des gereinigten Abwassers benötigt, wobei durch intermittierenden Betrieb der Pumpe oder durch Umstellung auf 24 Volt-Technik der Energiebedarf minimiert werden kann. Der technisch intensivere Prozess der Belebtschlammverfahren mit einem kontrollierten Sauerstoffeintrag hat generell einen deutlich höheren Energieaufwand. Durch den Verzicht auf mechanische Pumpen und den Einsatz des Luftverdichters auch zu Pumpzwecken konnte nicht nur die Betriebssicherheit stark verbessert werden, sondern auch der elektrische Anschlusswert und die erforderliche elektrische Arbeit pro Tag gesenkt werden. Wie gezeigt wurde, kann die benötigte Energie durch eine kompakte Fotovoltaik Anlage bereitgestellt werden, deren Kosten an der Gesamtinvestition für die Kläranlage einen vertretbaren Anteil einnimmt.
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