Technologievergleich und Ökobilanz von Abwasserreinigungsanlagen in alpinen Extremlagen logo_life.jpg logo_dav.jpg

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Sauerstoffversorgung

Sauerstoffbedarf
Sauerstoffeintrag
Schlussfolgerungen  


Nachfolgend wird der Sauerstoffbedarf von Belebtschlammsystemen und der technische Sauerstoffeintrag anhand von 4 Biocos-Anlagen innerhalb des Life-Projektes dargestellt:

Sauerstoffbedarf

Der Sauerstoffbedarf eines mit Abwasser belasteten Belebtschlammsystems setzt sich im Wesentlichen aus 3 Komponenten zusammen, die in der Berechnung berücksichtigt werden:

  • Bedarf für den Abbau organischer Verbindungen: Ein Großteil der organischen Verbindungen des zufließenden (meist vorgeklärten) Abwassers wird relativ rasch durch die vorhandenen Mikroorganismen umgesetzt. Dabei wird ca. ein Drittel zur Energiegewinnung veratmet (Umwandlung in CO 2) und ca. 2 Drittel werden zur körpereigenen Organismenmasse umgebaut. Ein Teil der zufließenden Kohlenstoffverbindungen wird lediglich adsorbiert und verzögert umgewandelt.
  • Grundatmung: Unabhängig von der augenblicklichen Abwasserbelastung wird durch eine endogene Mindestatmung der Organismen deren Lebensfunktionen aufrechterhal-ten. Daneben kommt es zu einem kontinuierlichen Absterben von Organismen und Zerfall von Zellstruktur. Teilweise werden die Zerfallsprodukte wiederum biologisch abgebaut, was einen weiteren Beitrag zur Grundatmung liefert (Schlammstabilisierung bzw. -verminderung bei fehlender Belastung)
  • Bedarf für den Stickstoffabbau: Sauerstoff wird benötigt, um Ammonium NH4 zu Nitrat NO3 zu oxidieren. Ein Großteil dieser Sauerstoffmenge wird bei der Denitrifikation (Reduktion von Nitrat zu elementarem Stickstoff) wieder rückgewonnen. Ein Teil des Ammoniumstickstoffs wird ohne Sauerstoffbedarf in der Biomasse eingebaut.

O2,Bedarf   = 0.5 * (organ. Belastung) + 0.1 * (Biomasse) + 1.71 * (eliminierter Stickstoff) 
Die organische Belastung wird in kg BSB5 pro Tag angegeben und die Biomasse ergibt sich aus der Schlammkonzentration multipliziert mit dem Volumen des belüfteten Belebtschlammbeckens. Die zu nitrifizierende/denitrifizierende Stickstofffracht kann näherungsweise der halben Zulauffracht zur Biologie gleichgesetzt werden (10 g N/EW * EWmax / 2). Um eine Schwankung der Belastung im Tagesgang zu berücksichtigen, wird hier bei der Berechnung des stündlichen Sauerstoffbedarfs ein Stoßfaktor von 1.5 angesetzt. In einem vereinfachten Ansatz wird häufig der Sauerstoffbedarf näherungsweise der doppelten BSB5-Fracht gleichgesetzt.


Berliner Hütte :
O2,Bedarf  = 0.5 * 10.7 kg BSB5/d + 0.1 * (9.6 m3 * 4.0 kg TS/m3) + 1.71 * (2.6 kg N/d /2) = 5.35 kg + 3.84 kg + 2.22 kg = 11.4 kg O2/d
O2,Bedarf = 11.4 * 1.5 / 24 = 0.71 kg O 2/h
Vorgeschlagene Näherung: O2,Bedarf   = 2 * 10.7 kg BSB5/d / 24 h = 0.89 kg O2/h


Coburger Hütte:
O2,Bedarf  = 0.5 * 7.2 kg BSB5/d + 0.1 * (10.35 m3 * 3.6 kg TS/m3) + 1.71 * (1.8 kgN/d /2) = 3.6 kg + 3.73 kg + 1.54 kg = 8.9 kg O2/d
O2,Bedarf
= 8.9 * 1.5 / 24 = 0.55 kg O 2/h
Näherung: O2,Bedarf  = 2 * 7.2 kg BSB5/d / 24 h = 0.60 kg O2/h


Konstanzer Hütte:
O2,Bedarf  = 0.5 * 4.4 kg BSB5/d + 0.1 * (7.2 m3 * 4.0 kg TS/m3) + 1.71 * (1.1 kg N/d /2) = 2.2 kg + 2.88 kg + 0.94 kg = 6.0 kg O2/d
O2,Bedarf
= 6.0 * 1.5 / 24 = 0.38 kg O 2/h
Näherung: O2,Bedarf  = 2 * 4.4 kg BSB5/d / 24 h = 0.37 kg O2/h


Lamsenjoch Hütte:
O2,Bedarf  = 0.5 * 8.0 kg BSB5/d + 0.1 * (11.8 m3 * 3.0 kg TS/m3) + 1.71 * (2.0 kg N/d /2) = 4.0 kg + 3.54 kg + 1.71 kg = 9.25 kg O2/d
O2,Bedarf
= 9.25 * 1.5 / 24 = 0.58 kg O 2/h
Näherung: O2,Bedarf  = 2 * 8.0 kg BSB5/d / 24 h = 0.67 kg O2/h


Sauerstoffeintrag

Der effizienteste technische Sauerstoffeintrag in ein Belebtschlammsystem wird durch eine feinblasige Druckluft-Membranbelüftung erreicht. Dieser Sauerstoffeintrag wird vor allem durch die Verdichterleistung bestimmt, die vom Hersteller meist in m3/h angegeben wird. Trockene Luft enthält bei  1013 mbar Druck und 20 °C eine Sauerstoffkonzentration von 279 g O2/m3. Der tatsächliche Sauerstoffgehalt wird allerdings von der Höhenlage stark beeinflusst:

formel01.gif ... barometrische Höhenformel

p(h)... Druck in gesuchter Höhenlage [N/m2]
p(0)... Druck in Meereshöhe [N/m2 ]
r(0)... Dichte der Luft in Meereshöhe [kg/m 3]
g... Erdbeschleunigung [N/kg]

Die eingepresste Luft kann nur zu einem bestimmten Wirkungsgrad h (abhängig z.B. von der Blasengröße und damit vom Belüftungssystem) in Lösung gebracht werden. Dieser Wirkungsgrad wird maßgebend vom Aufstiegsweg der Luftblasen und damit von der Wassertiefe beeinflusst. Zusätzlich bestimmt die Wassertiefe den Gegendruck für den Verdichter und vermindert dadurch dessen Luftdurchsatz. Mittlere Herstellerangaben für die Abhängigkeit der Luftfördermenge verwendeter Kompressoren vom Gegendruck und der Wirkungsgrade der Belüfter von der Wassertiefe wurden nachstehender Berechnungsformel zugrunde gelegt:

formel02.gif ... Wirkungsgrad des Sauerstofftransfers [-]

H... Wassertiefe

Weiters ist der Wirkungsgrad im Schmutzwasser gegenüber Reinwasser um den Faktor a abzumindern (mittlerer Erfahrungswert a = 0.8).


Berliner Hütte :
2 * LP200 Linearverdichter für Belüftung und 1 * LP200 für Heber
O2,Eintrag  27 m3 /h * η * α * p(2044m)/p(0) * 0.28 kg O2/m3 =
= 27 * 0.104 * 0.8 * 0.77 * 0.28 = 0.48 kg O2/h

mit formel03.gif und formel04.gif


Coburger Hütte :
2 * Drehkolbenverdichter (4.8 und 4.10)
O2,Eintrag  = 15 m3/h * η * α * p(1917m)/p(0) * 0.28 kg O2/m3 =
= 15 * 0.129 * 0.8 * 0.79 * 0.28 = 0.34 kg O2/h

mit formel05.gif und formel06.gif


Konstanzer Hütte :
2 * LP200 Linearverdichter mit je 12 m3/h
O2,Eintrag  = 24 m3/h * η * α * p(1688m)/p(0) * 0.28 kg O2/m3 =
= 24 * 0.099 * 0.8 * 0.81 * 0.28 = 0.43 kg O2/h

mit formel07.gif und formel08.gif


Lamsenjoch Hütte :
2 * Drehkolbenverdichter (4.10 und teilweise 4.8)
O2,Eintrag  = 13 m3/h * η * α * p(1958m)/p(0) * 0.28 kg O2/m3 =
= 13 * 0.129 * 0.8 * 0.78 * 0.28 = 0.29 kg O2/h

mit formel09.gif und formel10.gif

abb1a.gif
abb1b.gif
abb1c.gif

Abb.1:
abb1d.gif
Sauerstoffganglinien während eines bzw. zwei Biocos- Betriebszyklen. Die Sauerstoffkonzentration steigt während der kontinuierlichen Belüftung im B-Becken an und sinkt dann während der Abziehphase (Klarwasserabzug, Überschussschlammabzug) und der Umwälzphase ab, wenn ein Teil oder die gesamte Druckluft für den Betrieb der Heber verwendet wird. Zu beachten ist der unterschiedliche Belastungsgrad der Anlagen (s. Tab.1)

In Abb.1 sind die Sauerstoffganglinien an einzelnen Messtagen dargestellt. In Tab.1 sind die Belastungsverhältnisse an diesen Messtagen angegeben: Der tatsächliche Sauerstoffbe-darf wurde entsprechend der gemessenen Schlammkonzentration, der Stickstoffelimination und der organischen Belastung berechnet. Die Gegen- überstellung zeigt, dass auf der ARA Konstanzer Hütte bei ca. 4-fachen Eintrag gegenüber dem Bedarf fast eine Sauerstoffsätti-gung erzielt wurde (6.8 mg O2/l). Auf der ARA Berliner Hütte wurde rechnerisch ca. 60 % mehr Sauerstoff eingetragen als benötigt und die Konzentration stieg kaum über 1 mg O 2 /l. Auf der ARA Lamsenjoch Hütte war der Eintrag nur 13 % größer als der Bedarf. Dennoch stieg die Sauerstoff-Konzentration über 5 mg O2/l, was auf die starke Tagesvariation des Sauerstoffbedarfs hinweist (Messung erfolgte vormittags).

Hütte
Größe [EWmax]
Belastung [%]
N-eliminiert [%]
O2 Eintrag [kg O2/h]
O2 Bedarf [kg O2/h]
Eintrag / Bedarf
[%]
Berlin
260
40
50
0.48
0.30
160
Coburg
180
17
61
0.34
0.18
189
Konstanz
110
28
65
0.43
0.11
391
Lamsenjoch
200
36
20
0.29
0.26
113

Tab.1: Rechnerische Sauerstoffbedarf an den in Abb.1 dargestellten Messtagen im Verhältnis zu den vorhandenen Sauerstoffeinträgen.

Schlussfolgerungen

Der berechnete maschinelle Sauerstoff-Eintrag ist für alle Objekte bis auf die Konstanzer Hütte kleiner als der berechnete maximale Bedarf. Dabei ist zu bedenken, dass der maximale Bedarf nur an einzelnen Spitzentage auftritt, die in Rechnung gestellte Stickstoffelimination gesetzlich nicht gefordert ist und die Grundatmung bei geringeren Schlammkonzentrationen entsprechend geringer ausfällt. Wie die Fallbeispiele zeigen, ergibt sich für die Auslegung der Sauerstoff- versorgung also ein erhebliches Energie-Einsparungspotential.


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28. Mar 2002